29. Januar 2014

Mädchenporträt in Öl

Herzlich willkommen auf "awe" http://awecartoon.blogspot.com/, dem Blog von Adrian Weber !

Im Sommer 2012 wurde ich von einem Elternpaar angefragt, ob ich ein Porträt ihrer 9jährigen Tochter malen würde. Sie hatten eine Porträtskizze gesehen, die ich von meiner gleichaltrigen Tochter gefertigt hatte. Vor rund vierzig Jahren liessen die Eltern des Vaters von einem Maler ebenfalls ein Porträt ihres 9jährigen Sohnes erstellen. Dieses hing nun im Eingangsbereich ihres neuen Wohnhaus und sollte durch das Porträt der Tochter, einem Einzelkind, ergänzt werden.
Ich beschloss, das Porträt der Tochter in den selben Massen wie jenes des Vaters zu malen, also 50x120cm. Gegen Ende 2012 organisierten wir zwei je 60' Skizzen-Sitzungen, bei denen es mir darum ging, das Wesen und speziell das Gesicht der Tochter genauer zu erfassen. Ich fertigte etwa 10 je 5-15'minütige Skizzen in Bleistift, Pastell und zuletzt Gouache an. Schliesslich fotografierte ich die Protagonistin in ihrem bevorzugten Kleid in ihrem Zimmer. Das bunte, kleine Sitzsofa sollte ebenfalls eine Rolle spielen. Mir schwebt ein Porträt voller Würde vor, das ein Mädchen auf dem Sprung zum Teenager zeigt.

Anfangs 2013 gestaltete ich auf dem Computer mittels Photoshop die Komposition des Bildes. Ab dem Frühling begann ich die Arbeit direkt auf der Leinwand, die schliesslich bis Dezember 2013 dauern sollte und zuletzt ungezählte Stunden, Verbesserungen, Verschlimmerungen Verschlimmbesserungen, Nerven und viel Hadern mit sich bringen sollte. Ich hatte ja schon einiges gemalt und gezeichnet, habe mir Aufträge zugemutet, die ich noch nie zuvor ausgeführt hatte, aber schnell realisierte ich hier, dass diese Aufgabe nochmals ungleich schwieriger war als alle anderen zuvor. Die ersten Skizzen waren zwar mittels wasserlöslichen Supracolor schnell via Raster auf die Leinwand übertragen, auch die ersten dünnen Acryl-Lavierungen, transparent und mit viel Wasser, um erst mal die Gesamtstimmung zu erfassen. Aber je mehr ich malte und verdichtete, zuerst mit Acryl und danach mit Öl, desto stärker konzentrierte sich mein Kampf auf den Kopf, das Gesicht und diesen einzigartigen Ausdruck, der jeden einzelnen Menschen so auszeichnet und unverkennbar macht…dann kam dazu, dass das Mädchen natürlich weiter wuchs und sich in der Realität weiter entwickelte, während ich ihren Ende 2012 festgehaltenen Ein- und Ausdruck festzufrieren versuchte. Ich bereute, am Schluss nicht mehr Livesitzungen oder bessere Fotos des Gesichts gemacht zu haben, denn ich blieb meiner Meinung nach rudimentär und schaffte es gerade knapp, an der Realität des Gesichts zu kratzen, ohne es 100% zu treffen…weil der versprochene Tag der Übergabe schliesslich näher kam, musste ich mich aber wohl oder übel vom Optimalbild verabschieden und mit dem zufrieden sein, was in meinen Möglichkeiten stand. Allerdings retuschierte ich noch bis 20' vor der definitiven Übergabe rum...

Zum Schluss war ich mit dem Gesamtergebnis recht zufrieden, obschon das Zentrale, nämlich das Wesen der Porträtierten, nicht wie auf einem Foto daherkam, sondern eher in der Art der klassischen Ahnenmalerei des 19 Jhds. Immerhin schien die Porträtierte selber bei der Bildübergabe sehr Freude zu haben, auch ihre Eltern schienen mit dem Resultat zufrieden zu sein und waren so grosszügig, über allfällige Unzulänglichkeiten hinwegzusehen. Selber sehe ich ja auch, was fehlt: die Lichtführung, das perfekte Volumen im Gesicht, kurz: das Leben...

Meine Erkenntnis war, dass ein Ölbild an sich schon extrem schwierig ist, dazu ein Porträt, und erst noch ein Kinderporträt. Respekt vor den Malerinnen und Malern der Antike und Neuzeit, die es schaffen, Seelen und Wesenszüge auf die Leinwand zu zaubern, als würden die Porträtierten wahrhaftig leben und würden greifbar…Albert Anker, der viel Belächelte, lässt grüssen.

Jedenfalls schaffte mich diese Herausforderung mehr als ich gedacht hätte - ich rührte einige Wochen lang meine Malpinsel kaum mehr an - Aber wie man so sagt, so wächst man an allem, was einen nicht gerade "umbringt".

Zeitaufwand: Geschätzte 50 Std. (oder eine gefühlte Ewigkeit)

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